Interview mit Bernhard Volk

 

 Bernhard Volk ist Musical Director des Hamburger Operettenhaus und als International Associate Musical Supervisor für das Musical „Anastasia“ auf der ganzen Welt unterwegs...

Bernhard, wenn wir ganz vorne anfangen: War ein Job in der Musikbranche schon immer Dein Traum?
Ja, schon. Mit der Musik ging es schon als Kind los. Im Kindergarten habe ich gelernt, Blockflöte zu spielen. Da habe ich schon gemerkt, das liegt mir und macht mir Spaß. Während der Schulzeit kamen immer mehr Instrumente dazu. In der Musikschule habe ich tolle Leute kennengelernt und an tollen Projekten mitgewirkt. Da war dann klar - ich möchte etwas mit Musik machen.
Mir war aber noch nicht klar, in welche Richtung es genau gehen sollte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ich habe Klarinette und Klavier gespielt, Gesang gemacht, in einer Band und in einem Orchester gespielt. Als ich meinen Wehrdienst in Stuttgart geleistet habe, hat sich herausgestellt, dass ich mir Dirigat vorstellen könnte.


Für welche Ausbildung bzw. welche Richtung/welchen Schwerpunkt hast Du Dich dann entschieden?
Ich habe mich an mehreren Hochschulen beworben und dann auch drei Aufnahmeprüfungen gemacht. Eine in Freiburg für Schulmusik, eine in Stuttgart mit Klarinette im Hauptfach und eine in Karlsruhe. Dort konnte man mit Dirigieren anfangen, deshalb wollte ich da vor allen Dingen hin. Das hat dann auch geklappt und ich habe dort angefangen zu studieren. Im Grundstudium hatte ich Musikgeschichte, Harmonielehre, Klavierspielen, Gesang – sehr breit gefächert, aber das Hauptfach war schon Chor- und Orchesterleitung.
Nach fünf Jahren in Karlsruhe wollte ich noch einen Schritt weitergehen und bin nach Stuttgart für das Kapellmeisterstudium. Da sind die Lehrinhalte nicht mehr so breit gefächert, sondern der Fokus liegt sehr auf dem Dirigieren und Klavierunterricht, um die Partituren spielen zu können und zu verstehen. Das Studium konnte ich von Burbach aus machen, ich war dann nur zweimal die Woche in Stuttgart an der Hochschule. Meine letzten Prüfungen fielen dann auch schon in meine Anfangszeit in Hamburg.


Hamburg ist das Stichwort: Heute bist Du Musical Director des Hamburger Operettenhauses. Wie waren Deine Anfänge in Hamburg und welche Herausforderungen kamen auf Dich zu?
Mein erstes Stück war „Das Phantom der Oper“ und das habe ich tatsächlich vier Jahre lang gemacht. Das war mein erster Job. Ich war zwei Jahre Assistent des musikalischen Leiters, dann wurde ich Chef. Ich habe das Musical dann nochmals zwei Jahre gemacht. Das sind fast 400 Vorstellungen im Jahr - nicht alles dirigiert der Chef selber - aber in vier Jahren kommt da schon was zusammen. Das merkt man dann auch: Bei Musikern und Darstellern ist eine gewisse Routine da. Die Herausforderung ist es dann, das Musical am Leben zu erhalten. Es ist aber auch die Aufgabe eines Musicaldirigenten, es zu schaffen, das auch bei der 400. Vorstellung alles noch frisch und wie neu eingeprobt wirken zu lassen. Aber auch wenn Darsteller*innen einen Blackout auf der Bühne haben, dann bist du in Situationen, wo du entscheiden musst, warte ich jetzt, bis der- oder diejenige wieder dran ist oder ergreife ich die Initiative und geh in der Musik weiter.

Was ist für Dich das Besondere an Musicals allgemein?
Es geht natürlich um Musik, aber es ist ein Gesamtkunstwerk. Es geht um tolle Bühnenbilder, es geht um Beleuchtung, es geht um Sounds und Sounddesign im Haus, Kostüme, Special Effects, und das auf einem so unheimlich hohen Niveau, das finde ich schon einzigartig. Das gibt es in keinem anderen Genre.
Wir sagen auch immer, das ist eine Show, es ist ein Musical, aber es ist so viel mehr: Wenn das Publikum den Saal nach der Vorstellung verlässt, dann heißt es manchmal: „Das war tolle Musik!“ oder „Weißt du wie die das gemacht haben?“ oder „Boah sah das alles schön aus, so toll getanzt“.
Ein Musical ist nicht einfach so zusammengezimmert, sondern die Leute, die sich so etwas ausdenken sind Topleute. Da geht es um die kleinsten Details, um die kleinsten Nuancen und du arbeitest dann halt auf einem Niveau, wo du lauter Spezialisten hast. Die dann glücklicherweise gut miteinander auskommen und kreativ etwas ganz Einzigartiges entwerfen.


Hast Du ein Lieblingsmusical?
Mein Highlight ist „Titanic“. Es ist kein so bekanntes Musical. Das ist ein sehr klassisches Musical, mit klassischem Orchester und eher klassischen Sängern auf der Bühne. Mit wahnsinnig vielen Chören und wir hatten einfach fantastische Leute zusammen.
Ich war nach jeder Vorstellung körperlich fertig, weil ich so viele Leute bedient habe, einen Chor, die Darsteller*innen auf der Bühne, sehr viel Energie und musikalisch schwierig, aber doch gefällig und enorm emotional. Ich war immer durchgeschwitzt. Ich habe da keinen Sport gebraucht, aber bestimmt locker 2.000 Kalorien verbraucht in diesen zwei Stunden, weil ich so konzentriert war. Ich musste auch immer weinen, obwohl ich das Stück fast jeden Abend dirigiert habe.
Der Komponist kam dann auch zur Premiere, der hatte sich vorher nicht eingemischt, der hat mir das gegeben und ich konnte im Prinzip alles frei entscheiden. Und dann kommt er und findet es gut. Er kennt mich heute noch, der ist jetzt um die 80 Jahre alt. Wir haben ab und zu noch Kontakt. Das war eine ganz tolle Sache.


Du bist außerdem seit 2019 International Associate Musical Supervisor für das Musical „Anastasia“. Welche Aufgaben kommen da auf Dich zu?
Der Komponist oder das Team von „Anastasia“ haben mich ausgesucht, dass ich, egal wo auf der Welt dieses Musical gespielt wird, quasi das Kreativteam bin für das Musikalische. Ich bin in den Erschaffungsprozess in einem Zeitraum von 2 Monaten, bevor es auf die Bühne kommt, eingebunden. Dafür war ich jetzt schon weltweit unterwegs. Mein erstes Projekt war in Madrid in Spanien.


Gibt es ein Musical, das Du auf jeden Fall noch leiten/dirigieren möchtest?
„West Side Story“. Das würde ich gerne mal machen. Ich habe da immer nur Musik daraus gemacht, egal ob mit einem Sinfonieorchester oder Blasorchester. Das ist genial, echt toll.

 

Lieber Bernhard, wir danken Dir für dieses Interview

Das Interview mit Bernhard Volk führte Alicia Becht

→ Sehen Sie hier das Interview auch als pdf-Datei

 

 

 

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